Konnten Kaiser schreiben?

Die Macht des Wortes

Die Herr­schaft des Mittel­al­ters war geprägt vom soge­nannten Reise­kö­nigtum. Kaiser und Könige hatten keinen Haupt­sitz, sondern reisten durch das gesamte Herr­schafts­ge­biet. In verschie­denen Regionen des Reiches bezogen die Herr­scher mit bis zu 1000 Bediens­teten ihre Pfalzen sowie Klöster oder Bistümer. Voraus­set­zung war eine entspre­chende Ausstat­tung der Wirt­schafts­höfe und geist­li­chen Herbergen, wie ausrei­chende Schlaf­plätze, Verpfle­gung und Räum­lich­keiten, um den Regie­rungs­pflichten vor Ort nach­gehen zu können. So konnte sich der Herr­scher regel­mäßig des Gehor­sams seiner Unter­ge­benen im Reich verge­wis­sern, Strei­tig­keiten schlichten und Recht spre­chen. Viele Entschei­dungen, die während seiner Macht­aus­übung getroffen wurden, hielt man schrift­lich in Doku­menten fest. Da die mittel­al­ter­li­chen Herr­scher oft selbst nicht schreiben konnten, verfassten Geist­liche oder am Hof bediens­tete Schrei­ber­linge die entspre­chenden Urkunden und Erlasse. Ein soge­nannter Voll­zie­hungs­strich durch den Herr­scher verlieh diesen Schriften die notwen­dige Rechts­kräf­tig­keit. Er vervoll­stän­digte das Herr­scher­mo­no­gramm unter dem Inhalt der Urkunde. Das Mono­gramm bestand meist aus den Buch­staben des latei­ni­schen Vorna­mens des Herrschers.

Wissen ist Macht

Die mittel­al­ter­li­chen Herr­scher stützten ihre Macht zum großen Teil auf dem christ­li­chen Glauben. Sie beriefen sich auf den Willen Gottes und recht­fer­tigten damit ihre Macht­aus­übung. So ließ sich ein Volk aus gläu­bigen Christen einfa­cher regieren. Um die Lehre Christi dem frän­ki­schen Volk glaub­würdig und umfas­send zu vermit­teln, bedurfte es gut ausge­bil­deter geist­li­cher Gelehrter. Eine Bildungs­re­form unter den Karo­lin­gern sollte dies gewähr­leisten. Karl der Große veran­lasste so unter anderem, dass zahl­reiche antike sowie christ­liche Schriften kopiert und gesam­melt wurden. Das Wissen aus zurück­lie­genden Zeiten sollte gesi­chert und vermit­telt werden. In diesem Zusam­men­hang wurde auch eine neue Schreib­schrift, die Karo­lin­gi­sche Minuskel, entwi­ckelt. Diese zeich­nete sich durch das Schreiben von kleinen Einzel­buch­staben (Minuskel) aus und wurde als Einheits­schrift etabliert. Sie sollte garan­tieren, dass die mühsam von Hand kopierten Schriften für jeden Lese­kun­digen im Fran­ken­reich lesbar und damit gut zu studieren sind.

 

Unterschrift Karls des Großen (Hessisches Staatsarchiv Marburg Urk. 56 Nr. 2256), Hessisches Landesarchiv, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons